Generation WIR trifft auf Generation ICH

Burnout pur. Heute in der Entsorgungsstelle alte Keramiktöpfe von Scherben von Weinglässern getrennt bevor ich die Keramik in dem mit Tape geflickten Fechtkörben belassen habe und diese mit den anderen Eco-Sündstoffen auf die Waage gebracht und 5.60 + 1.40 Trinkgeld für die armen Handschuhe-Träger dort bezahlt habe. Dann habe ich meine 9- und 6 jährigen Söhne mit den Glassplittern zum Glascontainer geschickt. Gefährliche Aktion - wäre wohl von den "Fachleuten" Grund genug, mir meine Kinder zu entziehen und sie in eine mit Qualitätssiegel ausgestattet Anstalt zu bringen. Nun, das schlecht Gefühl im Bauch, der Druck auf der Brust und die schwarzen Gedanken, welche einen aus der WIR-Generation bei einer solchen Schandtat begleiten sind leider nicht messbar. Jedenfalls wär's wohl ein Grund für mildernde Umstände.


Tja, die WIR-Generation. Jene, die gelernt haben sozial zu sein nach den ständigen kleinen und dann den grossen Kriegen in Europa Jene, denen Gleichberechtigung, Team-Work, Coaching und 360-Grad-Feedback andere WIR-Spiele beigebracht wurden. Nun steht denen die ICH-Generation gegenüber. Die ICH-Generation hätte sich wohl weder an der Entsorgungsstelle ähnliche Gedanken gemacht, noch hätten die heute den ganzen Tag an Terminverschiebungen herumgedacht. Terminverschiebungen um eine Idee, ein Angebot, ein Wunsch, eine Initiative aus der ICH-Generation (zwar zu Gunsten der Nachkommen der WIR-Generation) so einfach umzusetzen, das die 30 Jahre jüngere ICH-Generation ihre Initiative mit Erfolg und dazu noch mit wenig Aufwand in eine gelungene Aktion umsetzen kann. Es stellt sich dabei wieder als Resulat heraus, dass die Ich-Generation antwortet nur noch auf Kommunikation, wenn die Zeit, der Ort und die Fragestellung für das eigene Leben von mindestens minderer Bedeutung ist. Die Generation ICH kann mehrere Inititiativen und Pläne gleichzeitig schmieden - als ICH oder unterhaltsame WIR-Aktionen- und kann solange die besten Lösungen "casten", bis dies im ICH-Moment dann alles stimmig zu einem Entscheid und einer Aktion führt. Nur ist im ICH, dann nicht drin, dass für die verworfenen WIR-Varianten noch einige ICH's involviert waren, welche sich vielleicht auf diese Variante ausgerichtet, organisiert und sich gegebenfalls vielleicht gar darauf gefreut haben. Nun, früher war nur jede 6 Monate  ein grösserer Anlass, die finanziellen Mittel haben für viele nicht mal für die Transportmittel genügt und daher war die Verlockung zu viel anzudenken und nicht umzusetzen doch einiges kleiner. Aber am Ende fehlt der Generation ICH in ihrem automatischen Sitautions-Analyse-und Wohlfühl-Scanner trotz nie da gewesener Kommunikationsmöglichkeiten, Geschwindigkeit und Einfachheit die Frage nach einem anderen ICH und damit von zwei aufwärts nach dem WIR. Die WIR-Generation hat gelernt, dem anderen zu antworten. Das war früher Anstand, Teil des gesellschaftlichen Selbstverständnisses. Auch hat die WIR-Generation auf alle Probleme gehört, welche nur schon denkbar waren. Lösungen wurden diskutiert, debattiert, Energie verbraucht. Die ICH-Generation scheint zwar viele Probleme wahrzunehmen, sich aber am Ende immer wieder auf das kleine, unwichtige eigene zurückzuziehen und den Rest mit Erfolg, Fun, Glamour und künstlerischer Coolness zu füllen - die Freiräume so zu sagen. Dann bleibt, der Abfall halt irgendwo liegen, die Kopfhörer drin und die Tastatur unberührt, wenn es im falschen Moment nach Aufwand, Energieverbrauch und fremden Anliegen geht.


Die ICH-Generation ist es, welche die Regeln für das "Sozial" jetzt aber definiert. Die ICH-Generation hat Muster, Abläuft und Systeme, welche Probleme finden, definieren, extrahieren und gezielt delelegieren - alles zertifiziert, normiert, Inhalte und Argumente gegoogelt oder von Vordenkern übernommen, angecoached mit psychologie und Tunnelblick, Ausblenden. Die ICH-Generation hat damit einen heiden Aufwand und einer immense Belastung. Da liegt WIR nur noch drin, wenn man selber mal wieder etwas WIR, Wärme, Mitgefühl und Hilfe brauchen oder ein angestrebter Erfolg ausbleiben könnte - dannk, wenn für das ICH der Erfolg nur über das WIR, über "Assitenz" mindestens eines weiteren ICH's möglich ist. Dann wird am WIR gearbeitet, entwickelt, gewerkelt, zusammen durch Feuer gegangen und aus der Luft gesprungen. Um das WIR zu machen, welches dem Einzelnen Ruhm, Ehre und Erfolg verspricht. Ansonsten ist das WIR noch das Austauschen von Versen, Schlagwörtern, Klamauk, Freizeitbildern und viel, viel Lächeln. Nun, eins ist offensichtlich: die ICH-Generation zwischen 18 und 35 hat ist schon gleichermassen Erholungs- und Wellnessbedürfig ist wie die ü-70-jährigen, die mindestens einen der grossen Kriege noch miterlebt haben. Oder wie die Kinder der Nachkriegsgenration, welche zu viel Energie noch immer an das WIR verschwendet und aus irgendwelchen Gründen nicht Ruhe geben auf und resignieren will. Das wirft doch Fragen auf. Diese Wellness-Notwendigtkeit nach dem Energieeinsatz für sich selber ist doch beeindruckend. Wäre es dankbar - die sensationellen Umstände der heutigen ICH-Generation betrachtend - dass das ICH ohne das WIR am Ende viel anstrengender ist, als ein WIR, welches ein minimales Mit- und Aneinander-Denken noch in Form von "Respekt" und "Anstand" als Grundelemente des Zusammenlebens definiert?


Bei der Generation WIR war das nicht alleine-ICh-Sein noch spürbar zum Ueberleben NOTwendig. In der Generation ICH läuft alles im Untergrund so rund und einwandfrei, alle Grundbedürfnisse sind gedeckt.  Ein WIR ist nur noch situativ für die Weh-Wehchen und das Wohlfühlprogramm weit über dem Fundamentalsten wirklich nötig. Das WIR wird auch entsprechend schnell lästig und der ICH-Modus daher - auf dem Fundement der Verfügbarkeit von allem Notwendigen - schnell wieder eingeschaltet um die Störfaktoren des WIR's auszublenden.


Jetzt sitz ich  aus der Generation WIR da und mache alle in den letzten 4 Tagen entstandenen WIR-Arrangemente basierend auf der ICH-Generations-Inititiave wieder rückgängig. Dabei spüre ich eine Ohmacht bis hin zu einem Funken Wut. Wut auf mich selber, denn ich hätte es wissen müssen. Ratlosigkeit, weil ich noch nicht weiss, wie ich solche Zeilen inskünftig verhindern und mich auf meine hier um mich herzumliegenden Probleme konzentrieren soll. Ausgebrannt - dazu ist es noch Freitag abends - stelle ich mir Fragen, ob ich denn trotz "Management-Erfahrung" nun in meinem eignen, sozialen Verständnis naiv geblieben bin.


Hätte die Generation ICH vor einigen Stunden bei der Entscheidungsfindung an mich und meine Situation gedacht, dann, ja dann hätte ich meine ganze Energie sparen und für MICH und die MEINEN einsetzen können. Der Burn-Out naht. Der WIR-Perfektionismus paart sich nun noch mit der ICH-Ignoranz und den Gesetzen der ICH-Generation welche mit Kommunkationsmitteln bis an die Zähne bewaffnet ist, aber damit nicht mehr die wirklichen Inhalte transportiert ausser Casting-Küsschen und Bilder von Gourmet-Happen. Und ich ärgere mich noch darüber, als ob im WIR nicht schon genügend Zeit und Kraft für Aktivitäten wie das Trennen von Kreramik- und Glassplittern vergeuden würden. 


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